Das grammatische Geschlecht der Nomen

Aus Fragen an Graf Ortho
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Warum gibt es für die Nomen verschiedene Geschlechter?

Warum stimmt das Geschlecht eines Nomens oft nicht mit dem natürlichen Geschlecht überein?

Wir, die Tigerentenklasse 2d der Katharinenschule in Straelen haben heute über die Artikel gesprochen. Dabei haben wir herausgefunden, dass "die" immer für weiblich, "der" immer für männlich und "das" meistens bei Sachen wie Spiel usw, also bei Sachen gebraucht wird. Beim Suchen von Nomen und deren passenden Begleitern ist uns nun aufgefallen, dass der Artikel von Mädchen aber "das" ist. Aber Mädchen sind doch weiblich! Also müsste es doch eigentlich heißen: die Mädchen (Einzahl und Mehrzahl). Wie erklärst du dir das? Und uns? Außerdem haben wir noch die Frage: Warum ist der Tisch männlich und nicht sächlich? [03.04.2008]
Bi-GO-Ortho.jpg Das ist wirklich eine interessante Frage. Woher kommt eigentlich das Geschlecht der Wörter? Und warum passt das manchmal nicht zum natürlichen Geschlecht des Wortes? Und warum haben Gegenstände ein Geschlecht?
Bi-GO-Wort.jpg Auf Wörter angewendet ist der Begriff „Geschlecht“ (lateinisch genus) im Grunde nicht sehr passend. Er bezeichnet eine Gruppe von Nomen, die sich – bezogen auf die Endungen – im Satz gleich verhalten bzw. verändern.
Ein Beispiel: Nehmen wir das Wort Affe. Im Satz wird hieraus:
  • Der Affe lebt im Urwald.
  • Wir besuchen den jungen Affen im Zoo.
  • Dort gebe ich einem kleinen Affen eine Banane.
Wird im Satz ein Nomen benutzt, dann passen sich der Artikel und auch das zugehörige Adjektiv dem Nomen an. In der deutschen Sprache kennen wir drei verschiedene Gruppen (Wie sprechen hier auch Nominalklassen.):
  • r-Klasse: Artikel = der; Adjektiv: Ein schön er Vater.
  • e-Klasse: Artikel = die; Adjektiv: Eine klug e Frau.
  • s-Klasse: Artikel = das; Adjektiv: Ein klein es Kind.
Diese Gruppen nennen wir (in den Sprachwissenschaften) Klassen der Nomen. Bei den Personen gehören die männlichen Namen zur r-Klasse, die weiblichen Namen zur e-Klasse und die sächlichen Namen zur s-Klasse. Daher haben früher bereits die Römer diese drei Gruppen (Klassen) den Geschlechtern zugeordnet:
  • männlich (lat. maskulin)
  • weiblich (lat. feminin)
  • sächlich (lat. neutrum)
Die Verwirrung kommt also von der ungenauen Bezeichnung der Nomenklassen durch die Römer. Es stimmen bei Lebewesen das sprachliche (grammatische) Geschlecht und das tatsächliche (natürliche) Geschlecht nicht immer überein. Hierfür haben die Kinder der Tigerentenklasse ganz wunderbare Beispiele gefunden (das Mädchen, der Tisch). Und sie sind damit auf ein richtig dickes Problem der Sprachwissenschaftler gestoßen. Eine ganze wissenschaftliche Richtung (die feministische Linguistik) beschäftigt sich mit diesem Problem.
Schöner wäre es, wenn wir die verschiedenen Gruppen der Nomen
r-Klasse, e-Klasse oder s-Klasse
nennen würden. Dann wäre direkt für jeden klar, dass hier nicht die tatsächlichen Geschlechter der Lebewesen gemeint sind. Aber leider haben sich die Begriffe maskulin (männlich), feminin (weiblich) und neutrum (sächlich) in den Schulen durchgesetzt.
Bi-GO-Schoen.jpg Also mir gefällt das mit der r-Klasse und der e-Klasse und der s-Klasse viel besser.

Einerseits hört es sich viel schöner an und andererseits ist das auch viel leichter zu behalten.

Bi-GO-Kurz.jpg Da muss ich Herrn Schön ausnahmsweise einmal Recht geben. Vor allem dass wir Frauen zur e-Klasse gehören find ich toll. Das hat so einen Hauch von Luxus. Und wer kennt schon eine r-Klasse. Das gibt es ja nicht einmal bei Autos.

Warum brauchen wir überhaupt eine Drei-Klassen-Gesellschaft? Würde nicht die e-Klasse für alle reichen? Das wäre kurz und einfach. Ich finde das ziemlich umständlich.

Bi-GO-Ortho.jpg Das ist eine gute Frage!


Brauchen wir wirklich diese verschiedenen Gruppen? Mit nur einer Gruppe kämen wir vielleicht auch zurecht. Schließlich ist ein Affe ein Affe. Was weiß ich mehr, wenn wir dieses Wort einem bestimmten „Geschlecht“ zuordnen?
Wie ist das eigentlich in anderen Länder, liebe Frau Fremd?

Bi-GO-Fremd.jpg Hier muss ich Frau Kurz Recht geben. Eigentlich sind die verschiedenen Gruppen (das Geschlecht) eines Nomens überflüssig. Andere Länder kommen auch ohne solch eine Gruppierung aus. Das gilt zum Beispiel für viele afrikanische sowie die persische und englische Sprache. Auch in der Türkei, in Japan, Estland, Finnland, Ungarn und Georgien kennt man keine „Geschlechter“ in der Sprache.
Bi-GO-Kurz.jpg Sag ich doch! Warum gibt es denn dann in unserer Sprache einen solchen Unfug?
Bi-GO-Alt.jpg Weil sich jede lebende Sprache über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Manche Strukturen verändern sich und andere bleiben über Jahrhunderte erhalten.

Als die Römer bis an den Rhein vorgedrungen waren, vermischten sie sich auch mit germanischen Stämmen. Die Germanen übernahmen von den Römern das System mit den drei verschiedenen Nominalklassen und zugleich auch die Begriffe (genus, maskulin, feminin, neutrum).

Ich finde, man sollte eine solche Jahrhunderte alte Tradition nicht grundlos aufgeben. Sie zeigt uns, wo wir herkommen und wie sich Sprachen entwickeln und vermischen. Das finde ich spannend und schön.

Bi-GO-Schoen.jpg Schön? Na ja. Da bin ich aber ganz anderer Meinung.
Bi-GO-Kurz.jpg Genau! Vor allem die E-Klasse, die würde mir völlig reichen!
Bi-GO-Ortho.jpg Mit diesem nicht ganz sachlichen Argument war die Diskussion für meine Prinzipienwächter zunächst beendet. An der irreführenden Bezeichnung Geschlecht lässt sich vermutlich ohnehin nichts ändern. Es sei denn, ihr, liebe Kinder, sprecht in der Schule einfach von den Klassen der Nomen und überlasst den Alten die Irreführung. Damit seid ihr auch wissenschaftlich auf dem richtigen Weg. Und vielleicht ändern sich ja dann auch irgendwann einmal die alten Schulbücher.