Vorwand

Aus Fragen an Graf Ortho
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Dialog mit einer Schülerin. Frage: „Gibt es das Wort vorwenden?” „Was willst du denn schreiben?” „Ich will die Geschichte als Ausrede vorwenden.” „Du meinst verwenden.” „Nein, vorwenden. Das ist ja nur ein Vorwand.” „Nein, ich glaube das Wort gibt es nicht. Schreib doch: Ich will die Geschichte als Vorwand verwenden. Das Wort Vorwand bedeutet ja so viel wie Ausrede.” - Fünf Minuten später hat meine Schülerin mit ihrem Handy im Internet recherchiert: „Im Duden gibt es aber das Wort vorwenden.” „Für mich klingt das aber irgendwie falsch.”

Meine Frage ist nun: Kann/darf man Wörter, die veraltet sind (so steht es im Duden) heute noch verwenden?
Lehrerin, Klasse 5, Gelsenkirchen

Diskussion

Herr Alt Im Prinzip ja.
Das Verb vorwenden war bis ins 19. Jahrhundert vor allem in der Amtssprache noch gebräuchlich. Danach ist es durch das schon im 17. Jahrhundert bekannte Nomen Vorwand weitgehend verdrängt worden.
Jede Sprache ist dynamisch. Wörter kommen aus anderen Sprachen zu uns oder werden neu erfunden (wie z. B. das Wort Handy). Manche Wörter setzen sich durch, werden in die Alltagssprache und später dann auch in Wörterbücher übernommen. Andere Wörter werden nicht mehr gebraucht, sind irgendwann veraltet und verschwinden aus den Wörterbüchern.
Noch einmal zu deiner Frage:
Du liegst mit deinem Gefühl ganz richtig: Das Verb vorwenden klingt irgendwie falsch. Es spricht nichts dagegen, veraltete Wörter zu verwenden. Aber in der Regel wird dies keiner so richtig verstehen. Die meisten Lehrer(innen) werden im Text der Schülerin das Wort unterschlängeln und am Rand verwenden vermerken.
Das Verb vorwenden zu verwenden ist ungewöhnlich, aber nicht falsch.

Hinweise zum Wort Vorwand

Bedeutung: Ausrede, erfundene Begründung für eine Handlung, vorgetäuschter Einwand
Beispielsatz: Er sucht nach einem Vorwand, um nicht im Garten mithelfen zu müssen.
Wortinfo: der Vorwand, die Vorwände
Worttrennung: Vor-wand; Aussprache: [ˈfoːɐ̯vant]
Herkunft: Das Nomen ist aus dem heute veralteten Verb vorwenden = vorbringen, einwenden gebildet.

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Weiterführende Informationen

Entstehung: Verb vorwenden: mhd. vürwenden = vorbringen, einwenden (12. Jh.), in der Amtssprache noch bis Ende 19. Jh. verwendet: vor Gericht zur Verantwortung ziehen, einen Sachverhalt vorbringen

Nomen Vorwand: frühnhd. fürwand = Einwand’ (15. Jh.), ab 17. Jh. dann Vorwand; das Nomen löst ab Mitte 19. Jh. das Verb vorwenden ab.

Wortbildungen: -
Ableitungen: -
Interessantes:

Nicht verwandt mit dem Wort Vorwand ist das Nomen Vorwandinstallation.

wenden: Ableitungen von wenden mit a:

Indikativ Präteritum: wandte - ich wandte mich ab; (selten auch wendete)

Partizip II: gewandt

Perfekt: gewandt - ich habe mich an ... gewandt

Futur II: gewandt - ich werde mitch an ... gewandt haben

Konjunktiv II, Plusquamperfekt: gewandt - ich hätte mich an ... gewandt

Konjunktiv II, Futur II: gewandt - ich würde mich an ... gewandt haben

mhd. fürwenden = vor Gericht zur Verantwortun ziehen

15. Jh. fürwand = Einwand

17. Jh. vorwand = vorgetäuschter (erfundener) Einwand

Unikales Morphem ?

Das Morphem wand ist eine Ablautbildung zum Morphem wend im Sinne von wenden. Es kommt nicht isoliert, jedoch in vielen Wortbildungen vor.
Pik-Kreis-rot.jpg Das Morphem wand ist daher kein unikales Morphem.

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Belege/Quellen

DWDS, Wiktionary, Wörterbuchnetz (versch. Wörterbücher, vor allem Adelung, Goethe, Grimm), ZDL sowie verschiedene nicht werbefreie Quellen: Educalingo, Duden Online-Wörterbuch, wissen.de

Weiterführende Informationen zu den Scheinwörtern/unikalen Morphemen


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