Mischpoke
Mein Vater hat bald Geburtstag. Er hat gesagt, dass er nicht feiern will. „Da kommt doch nur die ganze Mischpoke um sich satt zu futtern.“ Ich hab ihn gefragt, was eine Mischpoke ist. Das wusste er aber auch nicht. Meine Lehrerin hat nur gesagt, dass man das heute nicht mehr sagen soll. Lieber Graf Ortho: Was ist denn nun eine Mischpoke?
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Karl, Klasse 2, Telgte
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E-Mail von Karls Vater (im Auftrag von Karl).
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Diskussion
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Lieber Karl, schön, dass du so neugierig bist und wissen willst, was unbekannte Wörter bedeuten.
Deine Lehrerin hat ganz recht. Dieses Wort ist veraltet und wird heute nicht mehr benutzt. Es bezeichnet abfällig die Familie bzw. die Verwandtschaft.
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Das Wort haben wir über viele Umwege aus der hebräischen Sprache übernommen. Dort heißt es mišpāḫāh; das sprechen wir mischpacha aus. (Das a am Wortende wird betont.) Es hat - wie Herr Wort schon gesagt hat - die Bedeutung Familie bzw. Verwandtschaft. Im Hebräischen wird das Wort ganz neutral verwendet, so wie bei uns das Wort Familie.
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Das Wort Mischpoke ist über die Gaunersprache (= Rotwelsch) im 19. Jahrhundert in die deutsche Sprache gelangt. Als Mischpoke wurden unangenehme Leute und eine üble Gesellschaft benannt. Bei uns wird das Wort abfällig und abwertend benutzt. Daher wird es von vielen auch als beleidigend und diskriminierend empfunden, wenn sie als Mischpoke benannt (beschimpft) werden.
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Das ist der Grund, warum heute die Wörter Mischpoke, Muschpoke, Mischpoche nicht mehr verwendet werden.
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Also, lieber Karl: Weg mit dem Wort! Das braucht heute keiner mehr und du brauchst es dir auch nicht zu merken.
Viel wichtiger aber ist: Bleib weiterhin neugierig und frage, frage, frage. Wie heißt es doch so schön: „Wer nicht fragt, bleibt dumm!“ Und dumm bist du ganz bestimmt nicht.
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Nachtrag: Einige Wochen später kam eine weitere E-Mail von Karls Vater: Er hat seinen 40. Geburtstag dann doch mit der ganzen „Sippschaft“ gefeiert. „... Mein Opa hat ganz oft Dieser verflixte Mischpoke! gesagt, wenn er über irgend jemanden verärgert war. Später habe ich dies einfach übernommen. Ich fand es cool (wie man heute sagen würde), weil keiner so richtig wusste, was ich meine. Zum Glück habe ich einen so neugierigen Karl. Ich habe Karl fest versprochen, das Wort nie mehr zu benutzen. Und: Ich werde in Zukunft mit Karl zusammen seinen neugierigen Fragen auf den Grund gehen. ... Danke Karl, danke Graf Ortho. ...“
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(Zitat aus der 2. E-Mail von Karls Vater)
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Hinweise zum Wort Mischpoke
Alternativen:
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Mischpoche, Muschpoke
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Bedeutung:
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Familie, Verwandtschaft; wird meist abwertend verwendet: üble Gesellschaft, unangenehme Leute
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Beispielsatz:
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Seine ganze Mischpoke kam zur Geburtstagsfeier.
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Wortinfo:
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Nomen: die Mischpoke (kein Plural); Trennung: Misch-po-ke; Aussprache: [mɪʃˈpoːkə]
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Weiterführende Informationen
Hebräisch:
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Im hebräischen und jiddischen hat das Wort mišpāḫāh (gespr. [mɪʃpaˈxaʔ], geschr. מִשׁפָּחָה) eine neutrale Bedeutung als Familie auch Sippe, Sippschaft, Verwandtschaft.
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Jiddisch:
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Die jiddische Sprache ist im Mittelalter aus der mittelhochdeutschen Sprache entstanden. Sie hat Elemente aus verschiedenen Sprachen übernommen, so z. B. aus dem Aramäischen und Hebräischen sowie romanischen und slavischen Sprachen. Das hebräische mišpāḫāh wurde im (west)jiddischen zu mishpokhe [mɪʃˈpoxe]), mischpoche.
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Rotwelsch:
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Rotwelsch nennt man seit dem Mittelalter die Sprache der Gauner, Landstreicher und Bettler. Das jiddische mishpokhe wurde ins Rotwelsche als Mischpoke oder Muschpoke übernommen. Hier hat es die verallgemeinerte abwertende Bedeutung von Gesindel.
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Hochdeutsch:
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Nach der Übernahme des Wortes Mischpoke (bzw. Muschpoke, in Österreich auch Mischpoche) in die hochdeutsche Sprache wandelte sich die Bedeutung. Zunächst wurde es nur abwertend auf Gauner und Bettler (Gesindel), dann allgemein abwertend auch auf unangenehme Mitglieder der Familie und Verwandte angewendet und schließlich auch ganz allgemein in der Bedeutung unangenehme Leute bzw. üble Gesellschaft.
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heute:
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Einerseits: Wegen seiner Herkunft aus der hebräischen Sprache wird das Wort heute besonders von Personen jüdischer Glaubensrichtungen als diskriminierend empfunden (siehe hierzu den Beitrag im Deutschlandfunk). Es sollte daher nicht mehr verwendet werden.
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Andererseits gibt es auch Personen jüdischen Glaubens, die das Wort selbstironisch verwenden, z. B. die Hamburger Band Mischpoke oder Marcia Zuckermann mit ihrem Romantitel: Mischpoke.
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Unikales Morphem ?
Das Wort Mischpoke ist vom hebräischen mišpāḫāh abgeleitet. Es hat sich in der Schreibung an die deutschen Rechtschreibprinzipien angepasst. Auch wenn es in der Aussprache noch als Fremdwort zu erkennen ist (Betonung auf der zweiten Silbe) kann es doch als Lehnwort angesehen werden.
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Unklar ist, wie das Wort zusammengesetzt ist. Ist mischpoke als ein Morphem zu betrachten (siehe hebräische Herkunft) oder als zusammengesetztes Wort bestehend aus den Morphemen misch und poke, wie es nach deutschen Rechtschreibprinzipien zu erwarten wäre.
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Die Morpheme misch und pok(e) bzw. das Morphem mischpoke wird daher Gruppe unklar zugeordnet.
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Belege, Quellen
Mischpoke: DWDS, Wikipedia, Wiktionary, wispor.de, Wortbedeutung, ZDL; derewo (IDS); Deutschlandfunk (Antisemitismus in der Sprache)
Ronen Steinke: Antisemitismus in der Sprache. Warum es auf die Wortwahl ankommt. Bibliographisches Institut – Duden, Berlin 2020; Marcia Zuckermann: Mischpoke! Ein Familienroman Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2016.
DWDS, Wiktionary, Wörterbuchnetz (versch. Wörterbücher, vor allem Adelung, Goethe, Grimm), ZDL sowie verschiedene nicht werbefreie Quellen: Educalingo, Duden Online-Wörterbuch, wissen.de
Weiterführende Informationen zu den Scheinwörtern/unikalen Morphemen