geben

Aus Fragen an Graf Ortho
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weiterführende Informationen zum Stichwort geben

Warum schreiben wir er gibt nicht mit ie? Wir sprechen hier doch ein langes i.
Meike, Klasse 5, Bremerhaven
Warum schreiben wir ergiebig mit ie aber du gibst nur mit i. Beide Wörter werden doch auf geben zurückgeführt.
Heike, Klasse 5
Wir sagen er gibt und er gab. Warum heißt es nicht er gebt und er gebte so wie bei den Verben reden, leben oder lernen (er lernt, lernte).
Isa, Klasse 6, Köln

Diskussion

geban - giban - geben

Graf Ortho Die Vokalwechsel bei den starken Verben sind ein wirklich schwieriges Thema, an dem sich schon viele die Zähne ausgebissen haben. Auch unser Herr Alt mag diese Wörter nicht so sehr, da die Erforschung des Vokalwechsels meist mit sehr viel Arbeit verbunden ist.
Zum Glück waren gerade nur Frau Fremd, Herr Alt und Herr Wort im Büro der Rechtschreibwerkstatt. Das hat die Diskussion sehr vereinfacht. Herr Alt fand bei den beiden anderen, Frau Fremd und Herrn Wort, auch die richtigen Partner für diese schwierige Diskussion.
Herr Alt So ganz genau weiß ich es nicht. Fest steht, dass das Verb geben von dem alten germanischen Wort *geban abgeleitet ist. Im frühen Mittelalter hieß es noch geban, später dann geben. Hieraus lässt sich nicht erschließen, wie das i in die zweite und dritte Person Einzahl gekommen ist.
Frau Fremd Lieber Herr Alt, vielleicht kann ich da weiterhelfen. Ich hab da eine Idee: In den nordischen Sprachen finden wir nämlich das i schon in den Grundwörtern
  • dänisch give
  • englisch to give
  • schwedisch giva
Hier kann das Verb auf das gotische Wort giban zurückgeführt werden. Dieses gotische Wort ist ebenfalls vom germanische *geban abgeleitet.
Graf Ortho Sofort setzte sich Herr Alt an seinen Computer und durchforstete verschiedene Wörterlisten und alte Texte und Wörterbücher. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

geben - gib - gab

Herr Alt Im deutschen Sprachgebiet hatten wir früher sehr unterschiedliche Mundarten und Dialekte. Viele Wörter wurden bis ins 19. Jahrhundert hinein in den verschiedenen Regionen unterschiedlich gesprochen und geschrieben. Im süddeutschen Sprachraum (Schweiz, Österreich, Bayern, Baden-Württemberg) war gäbe und gäben vorherrschend. Weiter nach Norden dann geben und noch weiter im Norden sagte man gib und giban oder giben. Bei Martin Luther finden wir in seinen Schriften sowohl ich gebe als auch ich gib.
In der Vergangenheitsform ist das a aus dem nordischen giban und dem südlichen gäbe erhalten geblieben: wir gaben, ich gab, du gabst, er gab.

er giebt - er gibt

Herr Alt Bleibt noch die Frage: Warum wir die zweite und dritte Person mit i und nicht mit ie schreiben:
Hier gab es lange Zeit ein großes Durcheinander. Die einen schrieben du gibst und er gibt, die anderen du giebst und er giebt. In der gehobenen Sprache wurde das i lang gesprochen: er gibt [ɡiːpt]. In der Alltagssprache hingegen sprach man das i in den meisten Regionen kurz: er gibt [ɡipt].
Auch heute noch wird in vielen Regionen das i kurz gesprochen. So sagt man beispielsweise im Ruhrgebiet: „Gib mich ma de Butta.“ (Gib mir mal die Butter.). In Aussprachewörterbüchern wird hingegen das i als lang gesprochen angegeben: du [ɡiːpst], er/sie [ɡiːpt].
Herr Wort
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Bi-W-G Duden-1880-geben.jpg
Vielleich kann ich das Rätsel lösen. Konrad Duden brachte 1880 sein erstes Wörterbuch heraus. In diesem Wörterbuch fand sich folgender Eintrag (siehe Abbildung rechts). Konrad Duden bevorzugte damals die gehobenen Aussprache mit lang gesprochenem i.
Bi-W-G Duden-1902-geben.jpg
Bi-W-G Duden-1902-Titel.jpg
Einige Jahre später (1901) fand die zweite Orthografische Konferenz statt. Hier wurde zum ersten Mal die Rechtschreibung verbindlich für alle Behörden und Schulen festgelegt. Viele regionale Unterschiede in der Rechtschreibung wurden damals vereinheitlicht. Kurz nach der Konferenz brachte Konrad Duden ein neues Wörterbuch heraus, das sich an den Vereinbarungen der Konferenz orientierte. In diesem Wörterbuch finden wir die Schreibung du gibst und er gibt (siehe die Abbildung links).
Ob allerdings diese Schreibung mit i anstelle von ie auf der Konferenz festgelegt wurde, lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen. Es kann auch sein, dass sich Konrad Duden bei der Neuauflage seines Wörterbuches an dem allgemeinen Sprachgebrauch orientiert hat. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein „Tippfehler“ des Buchdruckers.
Halten wir fest: Alle Wörterbücher, die nach 1902 erschienen, haben die Schreibung mit einfachem i übernommen - bis heute.
Schade, dass sich keine Rechtschreibkommission später getraut hat, diese eine Ausnahmeschreibung an die Regel zum lang gesprochenen [iː] anzupassen.
Herr Schön Ja, da gebe ich Herrn Wort ausdrücklich recht. Wir sollten endlich das Wort gibt mit ie schreiben dürfen. Das wäre nicht nur einfacher, das sähe auch viel schöner aus.
Frau Kurz Solch ein Quatsch. Das Wort gibt ist viel kürzer und daher auch viel einfacher. Und: Diese Schreibung ist etwas ganz besonderes! Hier hat sich die Schreibung an die normale Aussprache angepasst. Und das kommt nicht allzu oft vor.
Graf Ortho Zum Glück brachte Herr Alt schnell das Thema noch einmal auf die Ausgangsfrage von Heike. Sonst hätten diese beiden noch lange über gibt oder giebt gestritten.
Wenn du mehr über die Ausnahmeschreibung du gibst und er gibt erfahren möchtest, so findest du weitere Hinweise auf der Seite Wörter mit i anstatt ie.

ergiebig

Herr Alt Nun zu Heikes Frage: Warum schreiben wir ergiebig mit ie?
Liebe Heike, du hast ganz recht. Das Wort ergiebig ist vom Verb geben abgeleitet. Vorweggestellt ist die Vorsilbe er- und am Ende die Adjektivendung -ig.
Das Wort entstand im 16. Jahrhundert in der Bedeutung: ertragreich, fruchtbar. Das Wort entwickelte sich also in einer Zeit, als in der gebildeten Sprache die Schreibung giebt üblich war. Dieses Wort machte den späteren Wandel zum kurz gesprochenen [i] nicht mit. Vielleicht gerade deshalb, weil dieses Wort nur in der gebildeten Sprache vorkam und vorkommt.
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Weiterführende Informationen

Modellwortschatz

Das Wort geben gehört zum Modellwortschatz (siehe Karteikarte: Vorderseite, Rückseite).

Weiterführende Informationen zum Verb geben

Entstehung: ie. *ghabh, germ. *geban, got. giban; ahd. geban, mhd. geben
Wortinfo: Verb: Präsens ich gebe, du gibst, er/sie/es gibt; wir geben, ihr gebt, sie geben
Präteritum: ich gab, du gabst, er/sie/es gab, wir gaben, ihr gabt, sie gaben; Perfekt: gegeben, Futur: werden geben
Aussprachen: geben - ˈɡeːbn̩, gib - ɡiːp, gab - ɡaːp, gäbe - ˈɡɛːbə, Gabe - ˈɡaːbə
Konjunktiv II: ich gäbe, du gäbest (gäbst), er/sie/es gäbe; wir gäben, ihr gäbet (gäbt), sie gäben
Wortbildungen: zu geben und Gabe sh. Wörterliste - Info - geben
Ableitungen: geben, Personenbez. Geber(in); Gabe,

Wortbildungen zum Wortstamm gieb

Das Wort ergiebig war im 16. Jahrhundert die erste Wortbildung, in der der Wortstamm der 2. und 3. Person Singular Präsens (gieb mit ie) mit einer Vorsilbe verbunden wurde. Später kamen noch die Wortbildungen ausgiebig, freigiebig und nachgiebig hinzu.

Weitere Wortbildungen mit gieb
Grundwort Alter Aussprache Bedeutung Nomen Gegenwort Nomen
ausgiebig 18. Jh. [ˈaʊ̯sɡiːbɪç], [...bɪk] reichlich, gründlich Ausgiebigkeit
ergiebig 16. Jh. [ɛɐ̯ˈɡiːbɪç], [...bɪk] besonders ertragreich Ergiebigkeit, unergiebig Unergiebigkeit
freigiebig 18. Jh. [ˈfʁaɪ̯ˌɡiːbɪç], [...bɪk] willig und bereit zu geben Freigiebigkeit
nachgiebig 18. Jh. [ˈnaːxˌɡiːbɪç], [...bɪk] Bereitschaft, schnell nachzugeben Nachgiebigkeit unnachgiebig Unnachgiebigkeit

Zum Verb freigiebig gibt es bedeutungsgleich auch die ältere Variante (16. Jh.) freigebig.

In dieser Übersicht sind die Wörter mit dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache bzw. dem Online-Wörterbuch Wiktionary verlinkt. Dort findest du weiterführende Informationen zur Bedeutung und Herkunft der Wörter.

Vergleich geben - gegeben - Gabe

Aus dem Verb geben können mit vielen Vorsilben neue Wörter gebildet werden. Aus diesen Wortbildungen können mit der Nomenbildung Gabe eine große Anzahl weiterer Wörter erstellt werden. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele von Vorsilben, die mit dem Verb geben verbunden werden. Zu einigen dieser Wortbildungen gibt es ein Nomen mit dem Grundwort Gabe. Von dieser Verbindung können zum Teil sehr viele neue Wörter gebildet werden. Die ungefähre Anzahl weiterer Wortbildungen wird in Klammern angegeben. Eine vollständige Liste der möglichen Verbindungen zwischen Vorsilben (Präfixen, Präfixoiden und Partikeln) und dem Verb geben findest due auf der Seite Info - geben.

Ableitungen zu Wortbildungen von Präfix + Verb geben
geben gegeben Gabe sonst.
abgeben abgegeben Abgabe (≈ 165)
angeben angegeben Angabe (≈ 100)
aufgeben aufgegeben Aufgabe (≈ 200)
ausgeben ausgegeben Ausgabe (≈ 270) ausgiebig
begeben Begabung (≈ 15) begabt (≈ 15), Begebenheit
beigeben beigegeben Beigabe
eingeben eingegeben Eingabe (≈ 15) Eingebung
ergeben Ergebnis (≈ 220), ergiebig (4)
freigeben freigegeben Freigabe (≈ 15) freigebig, freigiebig
herausgeben herausgegeben Herausgabe Herausgeber (≈ 13)
hereingeben Hereingabe
hergeben hergegeben Hergabe
hingeben hingegeben Hingabe Hingebung, hingebungsvoll
kundgeben kundgegeben Kundgabe Kundgebung (≈ 40)
maßgeben Maßgabe
mitgeben mitgegeben Mitgabe
nachgeben nachgegeben nachgiebig (4)
preisgeben preisgegeben Preisgabe
rausgeben rausgegeben
rechtgeben rechtgegeben
rückgeben Rückgabe (≈ 18)
übergeben übergegeben Übergabe (≈ 40)
umgeben umgegeben Umgebung (≈ 20)
vergeben Vergabe (≈ 80) Vergebung
verlorengeben verlorengegeben
vorgeben vorgegeben Vorgabe (≈ 30)
weggeben weggegeben
weitergeben weitergegeben Weitergabe
wiedergeben wiedergegeben Wiedergabe (≈ 10)
zugeben zugegeben Zugabe
zurückgeben zurückgegeben

Die Wörter wurden in der Regel mit dem Online-Wörterbuch Wiktionary verlinkt. Wörter, die dort (noch) nicht gelistet sind, wurden mit dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache verknüpft. Dort findest du weiterführende Informationen zur Bedeutung und Herkunft der Wörter.

Weitere Wörterlisten zu den Grundwörtern geben und Gabe findest du auf der Seite Info - geben.

Belege/Quellen


Quellen Wörter/Wortanalyse:
Modellwortschatz: Sommer-Stumpenhorst: Modellwortschatz,
Wortschatz: Sommer-Stumpenhorst: Gesamtwortschatz, Gerhard Augst: Wortfamilienwörterbuch, Korpus basierte Wortgrundformenliste DeReWo
Rechtschreibung: Wiktionary, Duden, DWDS, IDS
Etymologie: DWDS, educalingo, Wörterbuchnetz, Wortbedeutung.info, Wikipedia

Weitere Quellenangaben findest du auf der Seite Info - geben


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